4 - Harald Haeuser

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"Touché" - 1974, 40x40 cm
Lack und Acryl auf Holz
"Im Ozean der Bildschrift" von Harald Ruppert - Südkurier 2012

Zum siebten Mal stellt Harald Häuser in der Galerie Holbein in Lindau aus, und diesmal zeigt er eine Retrospektive, die, das läßt sich sagen, eine künstlerische Biografie schreibt. Eine Biografie blickt zurück und versucht das Damals aus der Warte des Heute zu deuten und eine Verbindungslinie zu ziehen. Bei Harald Häuser lässt sie sich schon von der frühesten Arbeit aus dem Jahr 1974 ziehen; der Künstler war damals 17 Jahre alt. Das Bild (s.o.) weist skripturale Elemente im weitesten Sinne auf – Drippings, die noch keine Syntax haben und doch die Anfänge seiner späteren Handschrift sind, in der sich Schrift und Bild durchdringen. Der besondere Reiz der Bildschrift Häusers besteht im Übergang von abstraktem Zeichen und konkreter Darstellung; und darin, dass der Künstler hier einerseits einen automatisch ablaufenden Prozess ins Werk setzt, andererseits aber bewusst gestaltet. Anders als das automatische Schreiben der Surrealisten, in dem die Bewegung der Hand der bewussten Lenkung durch den Kopf zuvorkommen will, bezieht Häusers automatisches Zeichnen den Kopf mit ein – und liefert sich ihm doch nicht aus.
Harald Häuser bezeichnet sein Zeichnen, das in seinen neuesten Bildern zu besonders pflanzenhaftorganischen Gebilden (s. Bild B) wächst, als eine Art Zen-Meditation. Im Zen kommen Gegensätze zur Deckung – man denke an jenen Bogenschützen, der sein Ziel trifft, indem er die Augen schließt. Ähnlich folgen Häusers Zeichen einer blinden Automatik und sind doch bewusst gestaltet.
Harald Häuser ist aber auch ein Forscher. 1980 unternahm er, der bis heute Globetrotter geblieben ist, seine erste Reise nach Indien und stieß dort auf einen ihm völlig fremden Schriftcode, auf den er zeichnerisch reagierte. „Man malt, um etwas zu verstehen“, sagt er heute. Das macht sein automatisches Zeichnen auch zur praktizierten Erschließung des Fremden, wobei er wiederum Zeichenspuren hinterlässt, die uns fremd erscheinen können und erschlossen werden wollen. Erschließung heißt aber nicht Ausbeutung durch Decodierung, sondern Einfühlung in die Gleichzeitigkeit von Schrift und Bild. Harald Häusers Bildschrift ist prinzipiell endpunktlos, und das macht sie zu einer Art unerschöpflichen Rorschach-Test. Zum Unabgeschlossenen bekennt sich Harald Häusers Malerei heute anders als noch vor zehn Jahren. Damals schwammen die Bildzeichen auf der Leinwand (s. Bild A), wogten auf ihr wie auf einem Ozean, der sich jenseits der Bildränder weiterzieht, bis zum Horizont. Diese schwarmhaften Zeichen, die auch etwas von einer Invasion hatten, sind in den neuesten Bildern nun aufgelockert; sie füllen nicht mehr den Bildraum, und daraus spricht hinzugewonnene Gelassenheit. Der Gelassene weiß: Wer aus dem Unabschließbaren schöpft, schafft mit dem Wenigen nicht weniger als mit dem Vielen. Der Gelassene kann es sich aber auch leisten, zur Blöße der Kindlichkeit zurückzukehren, in der er sich angreifbar macht. Bei Harald Häuser ist dies in einem vereinzelt auf den Farbschwüngen stehenden Segelschiff (s. Bild C) zu erkennen: Eine klare, vereinzelt stehende Form, separiert von den nebenstehenden virtuos-komplexen Zeichenketten. Das Schiff als klare Form erscheint naiv in Konkurrenz zu diesen Girlanden, die in ihren Zusammenhängen von Positiv- und Negativformen These und Antithese zugleich sind. Sie scheuen die Behauptung, sind immer im Fließen begriffen; ein Fließen, das sie selbst inszenieren und dem Harald Häuser nun zu vertrauen scheint, durch die Setzung des Schiffes. Es kann als Metapher des Getragenseins gelesen werden, und des Bewusstseins einer Bewegung, die nicht in die Irre führt, sondern einer Zielrichtung des Ankommens folgt, an welchen Ufern auch immer es sich ereignen mag.
             







                    A
                    B    C
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