3 - Harald Haeuser

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                                                    "Open sky" 2006, 145x300

"Alles ist Ursache, Alles ist Wirkung" - von Harald Ruppert - Südkurier 2006

Toleranz ist ein Schlüsselwort zum Verständnis der Kunst von Harald Häuser. Zeitweise aufgewachsen am Bodensee, wandert der ehemalige Per Kirkeby-Schüler heute zwischen den Kulturen: Deutschland, Frankreich, die USA und Tunesien sind seine Lebens- und Arbeitsorte.
Noch aus seinen Arbeiten, die vor drei Jahren im Schloss Salem zu sehen waren, sprach die Möglichkeit zu einem Dialog der Kulturen: Verwoben mit einem lichten blauen Untergrund, dem eine transzendente Leuchtkraft eigen war, waren die Leinwände mit ornamentalen Zeichen überzogen - Zeichen, die schriftartig erschienen und zugleich zu Dingen wurden. Es  schien sich um eine fiktive Sprache zu handeln, Metapher für einen gelungenen Austausch über Differenzen hinweg, weil sich diese Schrift nicht im abstrakten Sprechen über die Welt verlor - Häusers "Malschrift" entwarf "Dingzeichen", denen der sinnliche Bezug zu den konkreten Gegenständen, auf die sie verwiesen, eingeschrieben war. Häuser bringt diese "Schrift" nicht als festes Zeichensystem hervor, nicht wie ein Alphabet, sondern spontan, im malerischen Furor automatischen Schreibens. Abseits festgelegter Bedeutungen, assoziiert der Betrachter abstrahierte Tiere, Menschen oder Vegetationen. Gerade in der Uneindeutigkeit vermutete der Künstler das Potenzial seines malerischen Rorschachtests. So stellte er die Frage: "Gibt es mehr Toleranz, wenn der einzelne Begriff weniger konkret ist ?"
Auch in der Ausstellung "Open Sky" 2006 in der Galerie Holbein in Lindau spielt Häusers impulsive Zeichenschrift eine große Rolle.
"Open sky", dieser Titel erscheint beinahe schon ironisch, denn von den einst blauen Leinwänden sind in der neuen Serie nur noch guckfensterartige Durchlässe geblieben. Von rot wirbelnden Farbräumen ist das Blau verdeckt. Symbolisch, im Sinne von Aggression oder vergossenem Blut will Häuser seine Farbgebung nicht verstanden wissen, von "einer Art Krieg",  der in seiner Kunst stattfindet, spricht er aber doch. Häuser hat seine "Dingzeichen" nicht nur im Furor auf die Leinwand gebracht - auch auf der Leinwand selbst bleiben sie in der Macht einer Raserei, die dem Krieg gleicht: Leben, das von einem Sog in Formation gezwungen, beschleunigt und zerrieben wird - wie verweht wirken die verwischten Konturen.
Die Gewaltsamkeit, von der Harald Häusers "Schrift" erfasst ist, lässt sich als Zerreißprobe, wenn nicht als der Tod des kulturellen Dialogs deuten. Paradoxerweise ist eben diese Gewaltsamkeit, die aus einigen der neuen Arbeiten spricht, zugleich das Ergebnis einer Selbstermächtigung des Künstlers als aktiv gestaltender Instanz. "Bei den blauen Bildern war ein Endpunkt der  Entwicklung erreicht", sagt Harald Häuser. Die Schrift der blauen Serie ist das Ergebnis eines Prozesses, in dem der Künstler als festumrissene Instanz sich auflöste in den kulturellen Codes, die ihn umgaben – in Paris, in den USA, Nordafrika, den Emiraten oder Indien. "Ich empfand, als löse sich das Ich auf und ginge mit allen anderen Teilen dieser multikulturellen Gesellschaft eine Verbindung ein, als ob ein funktionierendes System entstünde, in welchem jedes Element das andere bedingt, beziehungsweise toleriert." Einen harmonischen, geordneten Fluss bildeten die Schriftzeichen auf den Bildern - eine prinzipiell unabschließbare Abfolge, die nur die Ränder der Leinwand begrenzten.
Inzwischen wird von unserer Gesellschaft nicht mehr die Toleranz, sondern der Kampf der Kulturen beschworen, und anstelle des Flusses sich tolerierender Zeichen tritt bei Häuser die Dynamik von Strömungen, die größer sind als die Zeichen selbst und mit reflektierender Distanz gesetzt werden.
Der Häuser der 80er und 90er Jahre war ein wilder Maler, seine Bilder (s.u.) reine Dynamik, ein Farbwirbel der reinen Bewegung. Angelangt bei den Zeichen der blauen Bilder, war die Wirkung beruhigt, doch der dynamische Gestus der malenden Hand war derselbe geblieben, nur in verkleinerter Form. In den neuen Arbeiten trifft nun die Mikro- auf die Makrodynamik. Das Ergebnis sind Bilder, die so komplex sind wie unsere heutige Bewusstseinslage - eine optische Turbulenz logischer Eigengesetzlichkeiten verschiedenster Art, eine wechselnde Abhängigkeit jedes Elements mit den übrigen. Der große Strom vertilgt das kleine Zeichen, das kleine Zeichen bestimmt den Fluss des Stroms. Alles ist Ursache, alles ist Wirkung, die Möglichkeit zu klaren Schlussfolgerungen verkrümelt sich. Dennoch öffnet sich hinter alledem zuletzt ein Stück "open sky", als wäre es der Barockhimmel von Tiepolo.

A - 1987   B - 1982
              C - 1983
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